Die Bestimmung des Jahres für jeden Quatrain erfolgt durch Vergleich des Verstextes zu einem vorgegebenen Vergleichstext. Zur Kontrolle des Ergebnisses hat Nostradamus zwei verschiedene Vergleichstexte geschaffen.
Für die „Erste Berechnung des Jahres“, wie er sie selbst nennt, dient die Namensreihe, die aus einer zyklischen Aneinanderreihung der drei Namen Nostradamus, Henri und Caesar besteht. Ich nenne sie auch die NOM-Reihe.
Für die „Zweite Berechnung des Jahres“ dienen die lateinischen Texte, die in den Briefen an Caesar und an König Heinrich enthalten sind. Diese sind nach den Regeln des Nostradamus in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen. Dies ist die LAT-Reihe.
Alle Texte sind ohne Satzzeichen und Leerzeichen, also in Form einer Buchstabenkette zu schreiben. Der Apostroph und das &-Zeichen gelten als ein Buchstabe.
Die NOM-Reihe
Originaltext Brief C:
(laut Ausgabe 1555)
[125] car la parolle hereditaire de l’occulte prediction sera dans mon estomach intercluse:
Übersetzung
denn das Erbwort der geheimen Weissagung wird in meinem Inneren eingeschlossen sein.
Die Bildung der anagrammatischen Regel aus diesem Text ist bereits im Abschnitt „Centurien/Bedeutung der Initialen/Initiale A“ erklärt worden. Man erhält die folgende Regel:
La parolle hereditaire de l’occulte prediction est le nom NOSTRADAMUS-CAESAR-HENRI CC |
Ebenso wurde erklärt, dass man durch zyklische Vertauschung dieser drei Namen, die von Nostradamus genau vorgeschrieben ist, zwölf Namensreihen erhält. Diese sind verteilt auf die 948 Quatrains als Vergleichstexte anzuwenden. Der komplexe Vorgang sei an einem prinzipiellen Beispiel dargestellt (vergleiche „Initiale A“). Der (bereits korrigierte) Text des Quatrains möge mit „Et quand n’on verra…“ (Und wenn man nicht sehen wird…) beginnen und als Vergleichstext wird hier „Caesarem Nostradamum…“ gewählt.
Da Nostradamus das Jahr wusste, das zu dem betreffenden Vers gehörte, nehmen wir an, es sei 1645, musste er bei der Formulierung des Verses nur darauf achten, dass sich zwei Vokale A beider Texte an jenen Stellen deckten, an denen die Ziffer 5 und die Ziffer 6 standen. Bei unserem Beispiel also an fünfter und sechszehnter Stelle. (16 ist durch Weglassen der Zehnerstelle auf die Ziffer sechs zu reduzieren.) Die beiden übereinanderstehenden Vokale A, in der Tabelle gelb und rot hervorgehoben, ergeben die Ziffern 5 und 6, somit die vorläufige (!) Zahl 56; von diesem Ergebnis ist regelgemäß die Anzahl der Konsonaten V im Vers abzuziehen (bei unserem Beispiel sei diese Zahl = 2), so ergibt sich also 56 minus 2 = 54. Diese Zahl ist umzudrehen (Tournement) und es ergibt sich somit die endgültige Jahreszahl = 45. Hinsichtlich der Berechnung der Jahrhundertzahl (16) siehe die Erklärungen zur Initiale E.
Die LAT-Reihe
Die lateinischen Texte, so wie sie in den originalen Briefen an Caesar und Heinrich (Fassungen 1555 bzw. 1568) stehen, nenne ich den „Ersten LAT-Text“ (LAT-Text-1). Die darin enthaltenen Texte müssen jedoch (getrennt nach den Briefen) gemäß der Regeln des Nostradamus neu gereiht werden, damit man den Vergleichstext für die zweite Berechnung der Jahreszahl erhält. Dies ist der „Zweite LAT-Text“ (LAT-Text-2). Inhaltlich ist er mit dem ersten LAT-Text gleich, nur die Reihenfolge der Sätze ist anders.
Jeder Quatrain ist einem bestimmten Buchstaben des lateinischen Textes zugeordnet, daher weisen die LAT-Texte insgesamt ebenfalls 948 Buchstaben auf. Nach Entschlüsselung und Herstellung der chronologischen Ordnung aller Quatrains bilden diese zugeordneten Buchstaben wieder einen lateinischen Text, der sich freilich von den beiden vorhergehenden unterscheidet. Diesen Text nenne ich den „Dritten lateinischen Text“ (LAT-Text-3).