Quatrain 8.71

1607  Verfolgung der Astronomen

Textfassung 1568 (korrigiert)

Croistra si grand le nombre des astronomes,
Prins, chassez & bannis, livre censure.
En l’an mil six cens & sept par sacres glomes,
Que nul lieu des sacres sera asseure.

Übersetzung

Die Zahl der Astronomen wird derart ansteigen,
(Sie werden) gefangen, verfolgt und verbannt, das  Werk zensuriert.
Im Jahre 1607 durch heilige Versammlungen,
Sodass kein Platz vor den Geweihten sicher sein wird.

Brahe in der Sternwarte
Johannes Kepler
Brahe in der Sternwarte Quelle:Astronomie, J.Herrmann Porträt: Johannes Kepler Quelle: wikimedia

Anmerkungen

Dies ist einer der „Kontrollverse“ für die Berechnung, denn er enthält die Jahreszahl 1607 expressis verbis.
Schwierig zu übersetzen ist „glomes“, welches in der französischen Sprache nicht existiert. Fontbrune und Allgeier übersetzen „sacres glomes“ ohne Angabe von Gründen mit „heilige Bullen“; Loog und Centurio schreiben ebenso ohne Begründung „Priestergerichte“. Pfändler greift auf Latein zurück, und gibt für „glomus“ u.a. Versammlung, Knäuel an (er weist jedoch dem Vers die Jahre 3161/62 zu).
In den lateinischen Wörterbüchern findet sich bei „glomus“ der Verweis auf die Nebenform „globus“ , was u.a. auch die Bedeutungen Haufen, Vereinigung, Ansammlung, Versammlung zuläßt. Ein anderes lateinisches Wort für Versammlung ist „congregatio“. Somit ist mit großer Wahrscheinlichkeit die „Congregatio Sancti Officii“, das „Heilige Officium“, die 1542 für die Inquisition errichtete höchste Kurialbehörde für Glaubensfragen, gemeint. Ich bin mir jedoch sicher, daß Nostradamus, in seiner oft sarkastisch-doppelsinnigen Art, das Wort „glomes“, das phonetisch gleich mit „gnomes“ (Erdgeister, Gnome, Gartenzwerge) ist, bewußt gewählt hat. Es charakterisiert nämlich hervorragend die Einstellung der damaligen Kirchengrößen, die, dem geozentrischen (also auf die Erde bezogenen) Weltbild verhaftet, neuen Erkenntnissen als „Kleingeister“ ablehnend gegenüberstanden.

Interpretation

Der Inhalt des Verses ist ziemlich klar. Es geht um die kirchliche Verfolgung der Astronomen, die durch ihre Neuentdeckungen das von der Kirche gestützte geozentrische Weltbild, in dessen Mittelpunkt der von Gott geschaffene Mensch und seine Erde standen, erschütterten. Im 17. Jahrhundert erzielte die Astronomie ihren größten Fortschritt durch die Erfindung des Fernrohrs. Sie öffnete den Himmel und ermöglichte neue Erkenntnisse über die Planeten und deren Bewegungen; insbesondere erkannte man, daß auch die himmlischen Objekte nicht frei von Veränderung und Vergänglichkeit sind. Die katholische Kirche sah jedoch in der Unveränderlichkeit des Himmels die Allmacht Gottes. Noch immer galt zu Anfang des 17. Jahrhunderts das geozentrische Weltbild des Ptolemäus, der in seinem Buch „Almagest“ ca. 150 n. Chr. festgeschrieben hatte, daß die Erde der Mittelpunkt des Universums ist.
Nikolaus Kopernikus (1473-1543) fomulierte, angeregt durch alte griechische Schriften – Aristarchos von Samos beispielsweise äußerte bereits 265 vor Chr. solche Gedanken – das heliozentrische Weltbild, in dessen Zentrum die Sonne steht. Doch erst Johannes Kepler (1571-1630) konnte die Ellipsenbahnen der Planeten an Hand des umfangreichen Beobachtungsmaterials von Tycho Brahe (1546-1601) nachweisen.
Einer der ersten belegten Prozesse in der Frage des neuen Weltbildes war jener von Giordano Bruno (1548-1600). Bruno war Dominikanermönch und ließ schon früh seine wissenschaftliche Begabung erkennen. Seine Anerkennung des kopernikanischen Weltbildes brachte ihn in Widerspruch zur kirchlichen Anschauung. Nach der Anklage wegen Ketzerei floh er, wurde jedoch 1592 durch Verrat von der Inquisition gefaßt und sieben Jahre eingekerkert. Am 17. Februar 1600 wurde er in Rom am Scheiterhaufen verbrannt.
Im Februar 1616 erließ die Kirche das Dekret gegen Kopernikus, mit dem sein grundlegendes Werk über seine bahnbrechenden Erkenntnisse „De revolutionibus orbium coelestium“ („Über die Kreisbewegungen der Himmelskörper“), das kurz vor seinem Tode 1543 erschienen war, auf den Index gesetzt wurde. Erst 1835 wurde es wieder vom Index gestrichen. Der „Index“ (im Vers „das Buch“) war ein Verzeichnis der verbotenen Bücher („Index librorum prohibitorum“), das unter Papst Pius IV. 1559 erstellt worden ist. Der Index untersagte das Lesen und jegliche Verbreitung der betreffenden Bücher. Er wurde 1967 außer Kraft gesetzt.
Galileo Galilei veröffentlichte seine Entdeckungen (1610) über den Saturnring (den er allerdings für zwei kleinere Begleiter des Saturns hielt) und über die Phasen der Venus; die Jesuitenprofessoren des Collegium Romanum hielten 1611 in Gegenwart Galileis Festveranstaltungen ihm zu Ehren ab, und Kardinal Maffo Barberini, der spätere Papst Urban VIII., feierte ihn in einem Lobgedicht – solange er nur wissenschaftlich tätig war und nicht versuchte, die „biblischen Wahrheiten“ umzudrehen! Galilei mußte 1616 gegenüber kirchlichen Stellen versprechen, solche Versuche zu unterlassen. Von seinem Versprechen ging er jedoch ab, als er 1632 seinen „Dialog über die beiden Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische“ veröffentlichte, der ihn vor die Inquisition brachte.
Zurück zum Vers des Nostradamus! Natürlich ließ die Erfindung des Fernrohres die Zahl der Astronomen anwachsen. Sie war die Ursache, auf die Nostradamus hinweist. Hans Lipperhey gilt als Erfinder des Fernrohrs. Er bot dem Rat von Zeeland 1608 seine Erfindung an. Nostradamus gibt das Jahr 1607 an, möglich, dass Lipperhey ein solches Instrument schon in diesem Jahr fertiggestellt hat.

Gegenüberstellung der Korrekturen:

Durchführung der Korrekturen:  der Vers enthält 6 c, daher sind 6 Korrekturen vorzunehmen. Zur Erinnerung: Vertauschungen von Buchstaben oder Wörtern zählen nicht als Korrektur. Neu eingefügte Buchstaben oder Wörter stammen aus dem Wörterpool (hier rot geschrieben).

1
 –  PRINS
 LIVRES  LIVRE
2
 CENSUREZ  CENSURE
 –  (NE->) EN
 SACRE  SACRES
3
 AUX  DES
4
 –  LIEU
5
 NE SERONT  SERA
6
 ASSEUREZ  ASSEURE

Die Berechnung

erfolgt entsprechend den Regeln: mit der inversen Vokal-Reihe (AEIOU-UOIEA-AEIOU…) und folgender NOM-Reihe: CNH-CHN-HCN-NCH-HNC-NHC. Die LAT-Reihe verlangt den Vokal I.

 
Berechnung des Jahrhunderts:
(rot)

Platz Nr.:
17…47…97
Vokalanzahl:
 616…32
1. Berechnung der Jahreszahl:
(grün)
NOM- Reihe: 71
minus V: -1
Differenz: 70
Invers: 07

2. Berechnungs der Jahreszahl
(braun)

LAT-Reihe: 07

Platz Nr. 800
Buchstabe: E

Ergebnis:

1607