Brief an Heinrich – Prophetischer Text

Im Abschnitt „Brief an Heinrich-Gliederung“ sind drei prophetische Blöcke unterschieden.

Diese drei Blöcke lassen sich weiter unterteilen und verschiedenen Epochen der europäischen Geschichte zwischen den Jahren 1610 bis in die heutige Zeit zuordnen. Darüber hinaus gibt es einen weiten Vorblick auf die Zukunft. Wie man erwarten konnte, hat Nostradamus auch in den prophetischen Texten einige Umstellungen vorgenommen, die man mittels eines komplizierten Rechenquadrats, das sich aus Zahlen in den Almanach-Quatrains ergibt, ermitteln kann.

Die nachfolgende Tabelle gibt die Zuordnung der Teiltexte zu den jeweiligen Epochen an:

Auf Grund des umfangreichen Materials kann hier nur der Beginn des prophetischen Teiles beispielhaft dargelegt werden.

Wörter Übersetzung des Originaltextes Historische Interpretation
[1201]-[1241] Denn Gott wird die lange Unfruchtbarkeit der großen Dame sehen, die bald darauf zwei fürstliche Kinder empfangen wird:
aber sie wird bedroht,
jene welche ihr beigegeben, infolge der Verwegenheit der Zeit vom Tod bedroht am 18.,das 36. (Jahr) nicht überleben zu können
Große Dame = Frankreich, personifiziert durch Anna von Österreich (1601-1666), Königin Frankreichs, 1615 verheiratet mit Ludwig XIII.(1610-1643), erst nach 23jähriger Ehe und nach mehreren Fehlgeburten (u.a. 1622,  1626 und 1630) kommt 1638 der 1. Sohn (Ludwig XIV.) auf die Welt und 1640 der 2. Sohn (Philipp von Orleans).

Marie de Rohan, die enge Vertraute der Königin, zettelt 1626 Verschwörung („Verwegenheit der Zeit“) gegen den König mittels des Grafen Chalais an, der am 18. August 1626 zum Tode verurteilt wird. Marie, die man nicht verhaften und anklagen wollte, weil die Spitzen des Königshauses (Gattin und Bruder des Königs, Herzog von Chevreuse) in der Affaire verwickelt waren, wird nur verbannt, entgeht somit dem drohenden Tod. (Ein Einschub im Absatz da Ereignis zeitlich früher).
Anna wird bedroht vom Tod: 1637, als sie 36 Jahre ist: wegen eines angeblichen Mordkomplotts gegen den König wird sie des Hochverrats beschuldigt.

[1242]-[1247] sodass man (en=on) zurücklassen wird 3 Knaben und 1 Mädchen, Die Königin und ihre Vertraute ließen gemeinsam drei Söhne und 1 Tochter zurück, d.h. nach beider Tod (Anna 1666, Marie 1679):

Söhne von Anna:
Ludwig +1715,
Philipp +1701

Sohn und Tochter von Marie:
Louis Charles d’Albert +1690
Henriette de Chevreuse +1693
die anderen Kinder (vier Töchter) von Marie sterben vor 1679:
vor 1679  Anne-Marie de Luynes
1646 Charlotte, Mademoiselle de Luynes
1652 Anne-Marie de  Chevreuse
1652 Charlotte-Marie de Chevreuse.

[1248]-[1258] und danach wird man 2 haben,
den, der nicht vom selben Vater stammt,
nach Ludwig XIII. kommen zwei noch absolut herrschende Könige:

Ludwig XIV. (1643-1715) und Ludwig XV., die nicht vom selben Vater stammen.

[1399]-[1410] Und den anderen, der in seiner großen Verwirrung und späten Reue das [alles] zerstören will Ludwig XV. (1715-1774) (Urenkel von Ludwig XIV., Vater = der Große Dauphin)
große Verwirrung = er kümmert sich nicht über die Staatsführung (einer seiner Aussprüche und sein Lebensmotto war: „Nach mir die Sintflut“), „chaotische Außenpolitik“
späte Reue = Steuerreform der letzten Regierungsjahre kam zu spät
[1259]-[1313] Bei den drei Brüdern wird es derartige Unterschiede geben, dann (werden diese) vereint und übereingestimmt, sodass drei und vier Teile Europas erzittern werden:
durch den Jüngeren wird die christliche Monarchie aufrechterhalten, vergrößert:
Sekten kommen auf und werden sofort unterdrückt, die Araber zurückgedrängt, Königreiche vereint, neue Gesetze verkündet:
von den anderen Kindern wird der Erste  die wilden gekrönten Löwen besetzen, die furchtlos die Pranken auf den Helmen halten.
Drei Brüder: (die nächsten drei Könige waren Brüder und die Enkeln von Ludwig XV.)

In ihre Regierungszeit kommt es zu großen Wirren: die Französische Revolution, die Napoleonischen Kriege, aber letztlich wird durch den Wiener Kongreß und die Bildung von Allianzen die Restauration durchgeführt, die Legitimität und Solidarität der Fürsten brachte.

1. Ludwig XVI. (1774-1793) = „der Erste“
er unterstützt die englischen Kolonien in Amerika gegen England (führt im Wappen gekrönte Löwen, einer davon liegt (Pranke) auf dem königlichen Spangenhelm

2. Ludwig XVIII. (1795/1814-1824) = „der Zweite“ (siehe unten)

3. Karl X. (1824-1830) = „der Jüngere“ (er war um 3 bzw. 2 Jahre jünger als seine Brüder).

„christl. Monarchie aufrechterhalten“= nach anfänglicher Liberalisierung versucht er, die absolute Monarchie wieder einzuführen (ancien régime); „drängt Araber zurück“= 1827 Navarino-Schlacht, Peloponnes von Osmanen rückerobert (1828);
„Königreiche vereint“  = Algerien wird 1830 erobert und F einverleibt.
„neue Gesetze“ = wären nichts Besonderes bei einem Herrscher, aber: es wurde ein neues Wahlrecht zu Gunsten des Königs geschaffen, das zur Revolution in Paris und zur Abdankung von Karl X. führte.

[1314]-[1345] Der Zweite wird, von den Lateinern begleitet, so weit eindringen, dass der zweite Zug ausgelöst wird, zitternd und rasend von Mont Louis herabsteigend um die Pyrenäen hochzusteigen, er wird die antike Monarchie nicht durchqueren, Der Zweite = Ludwig XVIII., er erklärte sich nach dem (angeblichen) Tod Ludwig XVII. 1795 zum König. Er tritt die Regierung nach dem Fall Napoleons 1814/1815 an

Mont Louis = südfanz. Gemeinde in den Pyrenäen.
1823 (April) überschritten franz. Truppen die Pyrenäen, zur Niederschlagung eines Aufstandes gegen den span. König Ferdinand VII. und zu dessen Befreiung, sie drangen bis Madrid und Cadiz vor und hatten zur Invasion die Autorisierung durch die Heilige Allianz (Verona, 1822) = die „Lateiner“;

„der zweite Zug“ = schon unter Napoleon wurde Madrid eingenommen, auch Chateaubriand (Außenminister) verglich die beiden Kriege!
„die antike Monarchie nicht durchqueren“ bedeutet, dass nicht gegen die span. Monarchie Krieg geführt wurde, sondern gegen Aufständische.

Die Gesamtanzahl der Wörter in den drei prophetischen  Texten ist gemäß der obigen Tabelle 2244.

Im Brief an Caesar schreibt Nostradamus: [C 1335] …& sont perpetuelles vaticinations, pour d’yci à l’an 3797. – …und es sind fortlaufende Weissagungen von jetzt an bis zum Jahr 3797.

Man kann die Zeitangabe „von jetzt an“ mit dem Briefdatum 1. März 1555 gleichsetzen. Man kann sie aber auch mit 1554 ansetzen, wenn man berücksichtigt, dass Nostradamus das gesamte Werk vor der Veröffentlichung im Jahr 1555 fertiggestellt hatte. Er musste ja die Verschlüsselung vornehmen, die einheitlich für alle Quatrains gilt und sicher eine längere Zeit in Anspruch genommen hatte. Tatsächlich enthalten die Prophezeiungen auch Quatrains für das Jahr 1554. Die Widmung, der Brief an Caesar, mag dann erst 1555 entstanden sein.

Rechnet man den Zeitraum von 1554 bis 3797 ergeben sich genau 2244 Jahre, ebenso viele wie der prophetische Text Wörter aufweist. Damit ist eine Kontrolle für die Abgrenzung des prophetischen Textes gegeben. Es bedeutet offensichtlich auch, dass die im Brief H enthaltenen Prophezeiungen tatsächlich bis zum Jahr 3797 reichen.